Eine Studie des Complexity Science Hub (CSH), der Vetmeduni Wien und der Gesundheitsagentur AGES schafft die Grundlage für eine verbesserte Diagnostik der zoonotischen Infektionskrankheit Leptospirose in Österreich.
Leptospirose ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit, die in Menschen und Tieren auftritt. Am häufigsten kommt sie in tropischen Regionen vor, doch ihre Inzidenz scheint in gemäßigten Regionen zuzunehmen. Bei standardmäßigen Labortests zum Nachweis von Antikörpern gegen das auslösende Leptospira-Bakterium erhöht sich die Genauigkeit, wenn auf lokale Varianten zurückgegriffen werden kann. In Österreich war bisher allerdings kein lokal zirkulierender Stamm verfügbar. Ein Forscher:innenteam rund um Amélie Desvars-Larrive vom Complexity Science Hub konnte diese sehr praxisrelevante Forschungslücke nun schließen.
„Wir zeigen in unserer Studie erstmals, dass Rinder in österreichischen Landwirtschaftsbetrieben das Leptospira-Bakterium in sich tragen und eine Quelle für Infektionen sein können“, berichtet Desvars-Larrive, die auch an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) tätig ist. Die genetische Analyse ergab, dass die in Österreich gefundene Variante, genannt Leptospira borgpetersenii Serogruppe Sejroe Serovar Hardjobovis, äußerst anpassungsfähig ist, da sie an verschiedenen Orten in domestizierten und wilden Wiederkäuern sowie Menschen auftritt. Dies unterstreiche das potenzielle zoonotische Risiko, insbesondere in Umgebungen, in denen eine enge Interaktion zwischen Menschen und Tieren besteht, so Desvars-Larrive.
„Wir zeigen in unserer Studie erstmals, dass Rinder in österreichischen Landwirtschaftsbetrieben das Leptospira-Bakterium in sich tragen und eine Quelle für Infektionen sein können“, berichtet Desvars-Larrive, die auch an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) tätig ist. Die genetische Analyse ergab, dass die in Österreich gefundene Variante, genannt Leptospira borgpetersenii Serogruppe Sejroe Serovar Hardjobovis, äußerst anpassungsfähig ist, da sie an verschiedenen Orten in domestizierten und wilden Wiederkäuern sowie Menschen auftritt. Dies unterstreiche das potenzielle zoonotische Risiko, insbesondere in Umgebungen, in denen eine enge Interaktion zwischen Menschen und Tieren besteht, so Desvars-Larrive.
„Der identifizierte Stamm ist in Teilen Europas und Nordamerikas verbreitet“, erklärt die Epidemiologin. "Derzeit werden in Österreich Stämme aus dem Ausland verwendet, um die Krankheit bei Menschen und Tieren zu diagnostizieren. Jetzt werden heimische Labore die Möglichkeit haben, diesen neuen Stamm zu verwenden", sagt Desvars-Larrive. "Mit anderen Worten, die Testleistung kann sich durch die Verwendung des lokalen Stammes verbessern."
GEZIELTE PROBENNAHME
Die Suche nach dem Erreger in Österreich gestaltete sich alles andere als einfach, schildert die Wissenschafterin. Um eine möglichst hohe Trefferquote zu erzielen, führten die Forschenden in den Jahren 2021 und 2022 eine gezielte Probennahme durch. Statistische Verfahren, Literarturrecherche sowie ein Netzwerk von Landwirtschaftsbetrieben, aus denen Verdachtsfälle gemeldet wurden, halfen bei der Suche nach infizierten Tieren.
„Bei 410 Rindern, bei denen die Recherche ein erhöhtes Risiko einer zurückliegenden Infektion ergab, wurden Proben genommen“, resümiert Desvars-Larrive. „Fünf davon konnten positiv auf Leptospira getestet werden. Drei Mal wurde das Bakterium erfolgreich isoliert, kultiviert und genau identifiziert.“
HERAUSFORDERUNGEN IM LABOR
Auch der Prozess hinter der Charakterisierung des Bakteriums stellte die Forschenden vor eine Reihe von Herausforderungen. „Die Kultivierung von Leptospira ist sehr aufwendig. Proben mussten innerhalb von zwei bis sechs Stunden im Labor sein. Dort benötigte das Bakterium ein komplexes Medium, in dem Antibiotika gezielt vor der Kontamination durch andere Bakterienstämme schützen“, erklärt Cynthia Sohm von der Vetmeduni den heiklen Prozess. „Bis das Bakterium beobachtet werden kann, mussten Proben zwischen sieben und 23 Wochen kultiviert werden, wobei sein Vorhandensein mittels PCR-Test verifiziert wurde“, fügt Desvars-Larrive hinzu.
Schließlich wurde das Bakterium aus besonders erfolgreichen Kulturen isoliert und am ebenfalls an der Studie beteiligten Institut Pasteur in Paris einer Genotypisierung unterzogen. „Bestimmte Teile im Erbmaterial werden dabei sequenziert, sodass der Bakterienstamm genau charakterisiert werden kann“, erklärt Desvars-Larrive.
IN ÖSTERREICH UND EUROPA
Für die Forscherin hilft die Studie auch, Bewusstsein für die Gefahren durch Leptospirose zu schaffen. Im Gegensatz zu wasserreichen tropischen Gebieten, wo Häufigkeit und Schwere der Infektionen ungleich höher sind, gilt die Erkrankung in Österreich zwar bisher als relativ harmlos. „Mit der Klimaerwärmung und der einhergehenden Zunahme von Überflutungsereignissen tritt sie aber zunehmend oft in urbanen Gebieten und in Ländern mit gemäßigtem Klima auf“, erklärt die Epidemiologin. „Damit könnte künftig auch in Europa die Gefahr durch den Erreger ansteigen.“
Insgesamt gibt es eine hohe Bandbreite an Symptomen, die durch Leptospira ausgelöst werden können: Bei Menschen führen leichte Verläufe unter anderem zu Fieber, Muskelschmerzen und Kopfschmerzen. In seltenen Fällen ist Leptospira Auslöser von Morbus Weil – einer schweren Krankheit, die Multiorganversagen, septischen Schock und damit den Tod des Patienten zur Folge haben kann. Auch im Tierreich gibt es eine Vielzahl an Symptomen. Zum Teil übertragen die Tiere den Erreger nur, erkranken aber selbst nicht.
In Rindern kann Leptospirosis zu Fruchtbarkeitsproblemen und reduzierter Milchproduktion führen, was die Krankheit auch für wirtschaftliche Gesichtspunkte relevant macht. Steigt der Infektionsdruck, kann sich die Landwirtschaft nur mit einem integrierten Ansatz aus verschiedenen Maßnahmen schützen, betont Desvars-Larrive. „In Rinderbetrieben benötigt man Verbesserungen bei der Biosicherheit und Umweltschutz. Ratten und andere Nagetierpopulationen müssen möglichst reduziert werden. Wenn die Infektion im Tierbestand diagnostiziert wird, können auch Antibiotika zur Behandlung eingesetzt werden.“
Service
ÜBER DIE STUDIE
Die Studie „First isolation and genotyping of pathogenic Leptospira spp. from Austria“ wurde kürzlich im Journal Scientific Reports veröffentlicht.
ÜBER DEN COMPLEXITY SCIENCE HUB
Der Complexity Science Hub (CSH) ist Europas wissenschaftliches Zentrum zur Erforschung komplexer Systeme. Wir übersetzen Daten aus einer Reihe von Disziplinen – Wirtschaft, Medizin, Ökologie, Sozialwissenschaften – in anwendbare Lösungen für eine bessere Welt. Gegründet im Jahr 2015, forschen heute über 70 Wissenschafter:innen am CSH, getragen von der wachsenden Notwendigkeit für ein fundiertes Verständnis der Zusammenhänge, die unserer Gesellschaft zugrunde liegen - vom Gesundheitswesen bis zu Lieferketten. Mit unseren interdisziplinären Methoden entwickeln wir die Kompetenzen, um Antworten auf heutige und zukünftige Herausforderungen zu finden.
Mitglieder des CSH sind AIT Austrian Institute of Technology, BOKU, Central European University (CEU), Medizinische Universität Wien, TU Wien, TU Graz, Universität für Weiterbildung Krems, Vetmeduni Wien, Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Mitglieder des CSH sind AIT Austrian Institute of Technology, BOKU, Central European University (CEU), Medizinische Universität Wien, TU Wien, TU Graz, Universität für Weiterbildung Krems, Vetmeduni Wien, Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).