Forschungsprojekt zur kollektiven Anpassung wird vom Europäischen Forschungsrat mit drei Millionen Euro über fünf Jahre gefördert
[Wien, 11.04.2024] Der Europäische Forschungsrat (ERC) vergibt einen Advanced Grant an Mirta Galesic, Wissenschafterin am Complexity Science Hub (CSH), um die komplexe Funktionsweise der kollektiven Anpassung zu untersuchen. Das Projekt soll Aufschluss darüber geben, warum Menschen – von Familien bis hin zu ganzen Gesellschaften – bei wichtigen Problemen wie der Lösung langjähriger politischer Konflikte in eine Sackgasse geraten können und warum sie manchmal nicht in der Lage zu sein scheinen, vermeintlich offensichtliche Lösungen zu finden – etwa, wenn es um Impfungen zur Eindämmung der Ausbreitung von Krankheiten geht.
GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG
"Angesichts rascher technologischer Veränderungen und eskalierender globaler Herausforderungen ist das Verständnis unserer kollektiven Anpassung von entscheidender Bedeutung“, erklärt Galesic, die eine führende Expertin für komplexe soziale Systeme ist. Dennoch fehlt es bislang an wissenschaftlichem Verständnis der zugrundliegenden Mechanismen.
„Unser Projekt zielt deshalb darauf ab, diese Lücke zu schließen. Wir wollen herausfinden wie menschliche Gruppen ihre sozialen Strukturen und kognitiven Strategien dynamisch anpassen, um vielschichtige Herausforderungen zu bewältigen. Dadurch können wir besser verstehen, wie wir positive kollektive Entwicklungen erreichen und nachteilige Trends vermeiden können", sagt Galesic.
CSH-Präsident Stefan Thurner zeigt sich äußerst erfreut über die ERC-Förderung für Mirta Galesic: “Die inhaltliche Ausrichtung des Projekts passt perfekt zur Mission des Complexity Science Hub, neue Ansätze zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zu entwickeln. Gleichzeitig wird der Forschungsschwerpunkt soziale Komplexität für gesellschaftlichen Wandel am CSH weiter gestärkt.”
EXPERIMENT TRIFFT AUF COMPUTERMODELL
Um die zugrundeliegenden Mechanismen der kollektiven Anpassung aufzudecken, verknüpfen Galesic und ihre Kolleg:innen Kognitionswissenschaft, Soziologie und Computermodellierung. Die empirischen Daten stammen aus Gruppenexperimenten, Längsschnittstudien und der Verarbeitung natürlicher Sprache in Textkorpora. Am Ende soll das Projekt unser Verständnis dafür revolutionieren, wie Menschen durch komplexe Problemlandschaften navigieren.
"Durch die Entwicklung von Computermodellen, die auf empirischer Forschung beruhen, wollen wir das komplizierte Zusammenspiel zwischen sozialem Lernen, Überzeugungsdynamik und Netzwerkstrukturen in Kollektiven entwirren", erklärt Galesic.
Galesic betont zudem den interdisziplinären Charakter des Projekts, das Expert:innen aus verschiedenen Bereichen zusammenbringt, um komplexe gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. "Neben Henrik Olsson, der ebenfalls am CSH tätig ist, werden Forscher:innen aus den Bereichen Psychologie und Kognitionswissenschaft, Anthropologie und Soziologie, Informatik, angewandte Mathematik und statistische Physik beteiligt sein", so die Wissenschafterin.
"Unsere Forschung hat sowohl theoretische als auch praktische Implikationen", fügt Galesic hinzu. "Indem wir die Dynamik der kollektiven Anpassung entschlüsseln, können wir den Weg für effektivere Strategien zur Bewältigung drängender Probleme wie Klimawandel, soziale Ungleichheit und Extremismus ebnen.“
ÜBER MIRTA GALESIC
Mirta Galesic leitet seit 2023 die Forschungsgruppe Collective Minds am Complexity Science Hub. Sie ist zudem Professorin am Santa Fe Institute und External Professor an der University of Vermont.
Geboren in Kroatien, erwarb Galesic einen Doktortitel in Psychologie an der Universität Zagreb, bevor sie als Wissenschafterin an der University of Maryland und am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin tätig war. Im Jahr 2015 wechselte sie schließlich zum Santa Fe Institute und 2023 wurde sie Fakultätsmitglied am CSH in Wien.
Galesic kombiniert Elemente der Psychologie, Soziologie und Komplexitätswissenschaften, um menschliches Verhalten in dynamischen Umgebungen zu verstehen. Sie veröffentlichte zahlreiche Artikel in renommierten Fachzeitschriften zu Themen, die von Theorien der sozialen Kognition bis hin zu Studien über angewandte Probleme wie Hassreden und Meinungsbildung reichen.
ERC ADVANCED GRANT
Der renommierte ERC Advanced Grant ermöglicht es Spitzenforscher:innen, ehrgeizige, neue und potenziell bahnbrechende Projekte zu verfolgen. In diesem Jahr langten 1.829 Forschungsanträge beim ERC ein, wovon knapp 14 Prozent bewilligt wurden. Das entspricht einer gesamten Fördersumme von 652 Millionen Euro. Insgesamt zwölf Grants gehen nach Österreich.
ÜBER DEN COMPLEXITY SCIENCE HUB
Der Complexity Science Hub (CSH) ist Europas wissenschaftliches Zentrum zur Erforschung komplexer Systeme. Wir übersetzen Daten aus einer Reihe von Disziplinen – Wirtschaft, Medizin, Ökologie, Sozialwissenschaften – in anwendbare Lösungen für eine bessere Welt. Gegründet im Jahr 2015, forschen heute über 70 Wissenschafter:innen am CSH, getragen von der wachsenden Notwendigkeit für ein fundiertes Verständnis der Zusammenhänge, die unserer Gesellschaft zugrunde liegen – vom Gesundheitswesen bis zu Lieferketten. Mit unseren interdisziplinären Methoden entwickeln wir die Kompetenzen, um Antworten auf heutige und zukünftige Herausforderungen zu finden.
Mitglieder des CSH sind AIT Austrian Institute of Technology, BOKU, Central European University (CEU), Medizinische Universität Wien, TU Wien, TU Graz, Universität für Weiterbildung Krems, Vetmeduni Wien, Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
csh.ac.at
Mitglieder des CSH sind AIT Austrian Institute of Technology, BOKU, Central European University (CEU), Medizinische Universität Wien, TU Wien, TU Graz, Universität für Weiterbildung Krems, Vetmeduni Wien, Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
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