Forschende des Complexity Science Hub (CSH) analysierten einen großen Datensatz mit den Online-Lesegewohnheiten von Mitarbeiter:innen aus Millionen von Unternehmen weltweit, darunter große Medienkonzerne.
„Sag mir, wie du liest, und ich sage dir, wer du bist.“ Durch die Analyse des Online-Leseverhaltens von Millionen Unternehmen weltweit verknüpft eine neue Studie des Complexity Science Hub (CSH), wie viel Information Unternehmen konsumieren und wie dieser Konsum mit ihrer Größe zusammenhängt.
„Die Art und Weise, wie Unternehmen Informationen konsumieren, erinnert an biologische Organismen. Sie nehmen Informationen auf, übertragen und transformieren sie, um Entscheidungen zu treffen. Wie bei Organismen gibt es auch hier wichtige Größenunterschiede. Größere Unternehmen neigen dazu, Informationen effizienter zu konsumieren, stehen jedoch vor erheblichen Koordinationsherausforderungen,“ erklärt Co-Autor Eddie Lee vom CSH.
Das Team analysierte einen umfassenden Datensatz, der die Online-Lesegewohnheiten von Mitarbeiter:innen aus Millionen von Unternehmen weltweit beinhaltet. Dieser Datensatz, der einen Zeitraum von zwei Wochen abdeckt, umfasst große Verlage sowie spezialisierte Seiten wie ITCentral Station und Questex.
„Es ist das erste Mal, dass dieser Datensatz quantitativ tiefgreifend analysiert wurde. Durch einen genaueren Blick darauf, wie Unternehmen Informationen konsumieren, haben wir neue und bisher unbekannte Muster der Wissensökonomie entdeckt,“ fügt Lee hinzu.
ÜBERPROPORTIONAL MEHR INFORMATION
Die in Royal Society Open Science veröffentlichte Studie zeigt, dass das Volumen der von Unternehmen konsumierten Informationen überproportional mit ihrer Größe zunimmt. Dies deutet auf eine „Skaleneffizienz“ im Nachrichtenkonsum hin, bei der größere Unternehmen im Vergleich zu kleineren relativ gesehen weniger Kapital, Umsatz und Mitarbeitende für das gleiche Maß an Lektüre aufwenden. Dies offenbart einen bislang wenig bekannten Aspekt von Unternehmen.
Große Firmen stehen oft vor Koordinationsherausforderungen, die möglicherweise zu wiederholtem Lesen führen. „Ab einer bestimmten Größe lesen große Unternehmen eine größere Anzahl von Nachrichten, was zu einem höheren Maß an Redundanz führt,“ erklärt Lee.
Außerdem neigen große Unternehmen der Studie zufolge eher dazu, ein breiteres Spektrum an Leseinteressen anzuhäufen, als sich zu spezialisieren. Dieses Ergebnis mag überraschen, da man bei einer Spezialisierung der Arbeitskräfte einen allgemeinen Rückgang der Informationsnachfrage erwarten würde.
FINANZIELLE LEISTUNG
„Wir zeigen auch, dass Abweichungen von den typischen Lesegewohnheiten, insbesondere übermäßiges Lesen, stark mit höheren zukünftigen Erträgen und Bewertungen des Unternehmens korrelieren. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen, die mehr Informationen konsumieren als für ihre Größe typisch, tendenziell finanziell besser abschneiden,“ fügt Lee hinzu.
„Es gibt auch Hinweise darauf, dass solche Lesegewohnheiten stark mit der Innovationskraft der Unternehmen sowie der Vielfalt der wirtschaftlichen Aktivitäten, an denen sie beteiligt sind, verknüpft sind,“ ergänzt Co-Autor Alan Kwan von der Universität Hongkong.
„Zu zeigen, dass die Unternehmensleistung mit dem Informationskonsum verknüpft ist, ist sehr spannend,“ so Lee. Denn die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Verständnis darüber, wie Unternehmen Informationen verwalten, wertvolle Einblicke in ihre Betriebsdynamik und finanzielle Gesundheit bieten könne.
Über die Studie:
Die Studie "Information consumption and firm size" von von E. D. Lee, A. P. Kwan, R. Hanel, A. Bhatt und F. Neffke wurde in Royal Society Open Science veröffentlicht.
Über den Complexity Science Hub:
Der Complexity Science Hub (CSH) ist Europas wissenschaftliches Zentrum zur Erforschung komplexer Systeme. Wir übersetzen Daten aus einer Reihe von Disziplinen – Wirtschaft, Medizin, Ökologie, Sozialwissenschaften – in anwendbare Lösungen für eine bessere Welt. Gegründet im Jahr 2016, forschen heute über 70 Wissenschafter:innen am CSH, getragen von der wachsenden Notwendigkeit für ein fundiertes Verständnis der Zusammenhänge, die unserer Gesellschaft zugrunde liegen – vom Gesundheitswesen bis zu Lieferketten. Mit unseren interdisziplinären Methoden entwickeln wir die Kompetenzen, um Antworten auf heutige und zukünftige Herausforderungen zu finden.
Mitglieder des CSH sind AIT Austrian Institute of Technology, BOKU University, Central European University (CEU), Medizinische Universität Wien, TU Wien, TU Graz, Universität für Weiterbildung Krems, Vetmeduni Wien, Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
csh.ac.at